Wird die Photovoltaik-Förderung gestrichen?
- Benjamin Fritz

- 1. Okt.
- 6 Min. Lesezeit
Plant Wirtschaftsministerin Katherina Reiche das Aus für die Förderung neuer Photovoltaikanlagen? Erfahre, was wirklich geplant ist und welche Folgen das hätte.
In den letzten Wochen ist rund um die Photovoltaikanlage eine ungewöhnliche Unruhe entstanden. Ein Interview von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat mit wenigen Sätzen eine ganze Branche in Aufregung versetzt: Sie stellte öffentlich infrage, ob neue private Solaranlagen überhaupt noch eine Förderung brauchen.
Seitdem herrscht vielerorts Verunsicherung – sowohl bei Installationsbetrieben als auch bei Hausbesitzern, die über eine eigene PV-Anlage nachdenken. Unternehmen berichten von besorgten Nachfragen ihrer Kunden, die wissen wollen, ob sich ihre geplanten Investitionen bald nicht mehr lohnen könnten.
In diesem Beitrag zeigen wir dir, was genau hinter den Plänen von Reiche steckt, wie die Branche darauf reagiert – und ob die Förderung für neue Solaranlagen tatsächlich bald gestrichen werden könnte.
Das Wichtigste in Kürze
Wird die Förderung für neue private Photovoltaikanlagen tatsächlich gestrichen – und was würde das bedeuten? Damit du nicht lange suchen musst, findest du hier die wichtigsten Fakten auf einen Blick:
Was steckt dahinter? Katherina Reiche, die Bundeswirtschafts- und Energieministerin, will die Einspeisevergütung für neue private Photovoltaikanlagen abschaffen. Ihre Begründung: Anlagen und Speicher seien inzwischen so günstig, dass sich kleine PV-Anlagen auch ohne Förderung rechnen würden. Für bestehende Anlagen gilt weiterhin der garantierte Vergütungstarif nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).
Wie wahrscheinlich ist das? Noch ist kein Gesetzesentwurf veröffentlicht, es handelt sich bisher nur um einen politischen Vorstoß. Allerdings mehren sich die Hinweise, dass die Bundesregierung die Solarförderung grundsätzlich neu ausrichten will — weg von pauschalen Subventionen, hin zu marktbasierten Modellen.
Was für finanzielle Auswirkungen hätte das? Eine typische 10 kWp-Anlage kostet rund 18.000 €.
Mit Förderung: ca. 1.156 € Ertrag pro Jahr → Amortisation in 15–16 Jahren.
Ohne Förderung: ca. 720 € Ersparnis (nur Eigenverbrauch) → Amortisation in rund 25 Jahren.→ Ohne Einspeisevergütung rechnet sich die Anlage deutlich später — oft erst zum Ende ihrer Lebensdauer.
Was bedeutet das für Hauseigentümer? Wer bereits eine PV-Anlage hat, ist nicht betroffen. Wer eine neue Anlage plant, sollte die politische Entwicklung im Blick behalten — aber: Aktuell gilt die Förderung weiter, und neue Anlagen profitieren noch von den bestehenden Vergütungssätzen. Wer jetzt startet, sichert sich diese Konditionen für 20 Jahre.
In den nächsten Abschnitten schauen wir uns an, was genau Reiche eigentlich plant und wie sie den Solarmarkt künftig umgestalten will.
Was Katherina Reiche konkret plant
Die Bundeswirtschafts- und Energieministerin hat Mitte August in einem Interview mit der Augsburger Allgemeine angekündigt, die Einspeisevergütung für neue private Photovoltaikanlagen abschaffen zu wollen. Ihre Begründung:
„Neue, kleine PV-Anlagen rechnen sich schon heute im Markt und bedürften keiner Förderung.“
Nach ihrer Einschätzung sind die Kosten für Solaranlagen und Batteriespeicher inzwischen so weit gesunken, dass sich neue Anlagen auch ohne staatliche Unterstützung wirtschaftlich betreiben lassen.
Wichtig: Für bestehende Anlagen soll sich nichts ändern. Wer bereits eine PV-Anlage betreibt, erhält weiterhin für 20 Jahre den bei der Inbetriebnahme zugesicherten Vergütungstarif nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Es geht also nur um neu installierte Anlagen.
Darüber hinaus will Reiche den Solarausbau grundsätzlich neu ausrichten:
PV-Anlagen sollen steuerbar sein und ihren Strom nach Bedarf einspeisen, nicht einfach immer sobald er anfällt.
Neue Anlagen sollen mit Stromspeichern kombiniert werden, damit sie das Stromnetz nicht zusätzlich belasten.
Betreiber könnten künftig an den Netzkosten beteiligt werden, weil der starke Zubau von Erneuerbaren teure Netzausbauten notwendig gemacht habe.
Der Zubau erneuerbarer Energien soll sich künftig am Tempo des Netzausbaus orientieren – und nicht umgekehrt.
Diese Pläne markieren einen deutlichen Kurswechsel in der deutschen Solarpolitik – weg von pauschalen Förderungen hin zu einem stärker marktorientierten Ansatz.
Warum das für Verunsicherung sorgt
Die Aussagen von Katherina Reiche haben in der Solarbranche für spürbare Verunsicherung gesorgt. Unternehmen wie Energie-Insel aus Brandenburg oder Enerix in Potsdam berichten, dass seit dem Interview deutlich mehr Fragen von interessierten Hausbesitzern kommen. Viele fürchten, dass sich eine geplante Photovoltaikanlage ohne Förderung künftig nicht mehr lohnen könnte.
Dabei ist die Branche ohnehin angeschlagen: Lieferkettenprobleme, Preisdruck aus Asien und ein Mangel an Fachkräften haben in den vergangenen Jahren viele kleinere Betriebe unter Druck gesetzt. Die Ankündigung, die Förderung streichen zu wollen, wird nun von vielen als Signal verstanden, dass die Politik den Ausbau der Bürgerenergie nicht mehr ernsthaft unterstützen will.
Auch wenn die Einspeisevergütung bei typischen Anlagen nur noch rund 250 Euro pro Jahr ausmacht, sorgt allein die Debatte für Unsicherheit – und könnte damit Investitionen bremsen, die eigentlich dringend gebraucht würden.
Kritik aus Politik und Verbänden
Kaum waren die Pläne von Katherina Reiche öffentlich, kam scharfe Kritik – sowohl aus der Politik als auch von Branchenverbänden.
Der stellvertretende Grünen-Chef Sven Giegold warnte, dass die Streichung der Einspeisevergütung den Ausbau der Photovoltaikanlagen stark bremsen würde. Besonders die „Freunde der dezentralen Energiewende in Bürgerhand“ seien betroffen – also Kommunen, Landwirte, Mittelständler und private Hausbesitzer. Giegold kritisierte, dass ohne Einspeisevergütung Dächer künftig nicht mehr voll mit Modulen belegt würden, sondern nur noch auf Eigenverbrauch optimiert – ein Rückschritt für die Energiewende.
Auch der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) warnt vor dramatischen Folgen:
Die Umsetzung des Vorhabens gefährde die Klimaziele und bedrohe rund 150.000 Arbeitsplätze in der Solarbranche.
Eine Umfrage unter Solarinstallateuren zeigt: Nur vier von zehn Kunden würden sich ohne Förderung noch für eine Anlage entscheiden.
Statt das Tempo der Energiewende zu drosseln, müsse der Ausbau von Photovoltaik, Speichern und Netzen konsequent vorangetrieben werden.
Besonders scharf äußerte sich auch Hans-Josef Fell, einer der Mitautoren des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Er bezeichnete Reiches Vorstoß als „gefährlich“ und warnte vor einer Wiederholung des Solarcrashs von 2012, als ein abrupter Förderstopp zahlreiche deutsche Solarunternehmen in die Insolvenz trieb.
Was hinter Reiches Argument steckt
Tatsächlich ist der Vorstoß von Katherina Reiche nicht völlig aus der Luft gegriffen. Sie argumentiert, dass neue private Photovoltaikanlagen heute deutlich günstiger sind als noch vor wenigen Jahren – und sich zunehmend auch ohne staatliche Förderung lohnen.
Die Einspeisevergütung ist in den letzten Jahren stark gesunken. Seit dem 1. August 2025 liegt sie für neue Anlagen bis 10 Kilowattpeak (kWp) bei:
7,86 Cent/kWh bei Teileinspeisung
12,47 Cent/kWh bei Volleinspeisung
Diese Tarife sind im Vergleich zu den Strombezugskosten (aktuell im Schnitt rund 30 Cent/kWh) relativ gering. Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit einer PV-Anlage ist heute daher nicht mehr die Einspeisung, sondern der Eigenverbrauch des erzeugten Stroms.
Was hat das für finanzielle Auswirkungen, wenn die PV-Förderung gestrichen wird?
Eine Beispielrechnung zeigt:
Eine typische 10 kWp-Anlage erzeugt ca. 8.000 kWh pro Jahr.
Bei 30 % Eigenverbrauch (2.400 kWh) spart der Betreiber etwa 720 € Stromkosten jährlich.
Die restlichen 5.600 kWh bringen bei 7,86 Cent/kWh etwa 437 € durch Einspeisevergütung.
Zusammen ergibt das 1.156 € pro Jahr – bei Investitionskosten von rund 18.000 € amortisiert sich die Anlage nach ca. 15–16 Jahren.
Würde die Einspeisevergütung entfallen, würden diese 437 € pro Jahr wegfallen – und die Amortisationszeit würde sich auf rund 25 Jahre verlängern. Genau das sorgt bei vielen Hausbesitzern für Skepsis: Ohne Förderung lohnt sich eine PV-Anlage nur noch, wenn sehr viel Strom selbst verbraucht wird – etwa mit Batteriespeicher oder E-Auto.
Was passieren müsste, bevor die Förderung fällt
Viele Branchenexperten halten den Vorschlag von Katherina Reiche für verfrüht. Bevor die Einspeisevergütung gestrichen wird, müsse erst die technische und organisatorische Grundlage geschaffen werden, damit private Photovoltaikanlagen überhaupt marktfähig agieren können.
So warnt etwa Philipp Schröder, CEO des Energieanbieters 1Komma5°:
„Wir dürfen nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Bevor wir die Einspeisevergütung abschaffen, brauchen wir zuerst mehr Digitalisierung und bessere Prozesse.“
Konkret fordern Schröder und andere Branchenvertreter:
Flächendeckender Rollout von Smart Metern, um Erzeugung und Verbrauch intelligent zu steuern.
Einfache, digitale Prozesse mit den Netzbetreibern, damit kleine Anlagen unkompliziert angeschlossen und abgerechnet werden können.
Klare Regeln für die Direktvermarktung, damit auch kleine PV-Anlagen ihren Strom am Markt verkaufen können.
Erst wenn diese Grundlagen vorhanden sind, könnten auch kleine PV-Anlagen tatsächlich aktiv am Strommarkt teilnehmen – ohne dass ihre Betreiber durch den Wegfall der Förderung in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Solange es diese Planungssicherheit nicht gibt, drohen laut Schröder „Stillstand statt Aufbruch“ – also genau das Gegenteil dessen, was für die Energiewende nötig wäre.
Alternativen zur klassischen Solarförderung
Viele Stimmen aus der Branche halten einen kompletten Förderstopp für neue private Photovoltaikanlagen aktuell für riskant — schlagen aber gleichzeitig Alternativen zur bisherigen Einspeisevergütung vor.
Anstatt pauschal für jede eingespeiste Kilowattstunde Geld zu zahlen, könnten künftig gezielt Anreize für netzdienliches Verhalten geschaffen werden. Beispiele dafür sind:
Förderung von Batteriespeichern, die den Eigenverbrauch erhöhen und das Netz entlasten.
Bonus für flexible Einspeisung nach Bedarf, damit PV-Strom nicht gleichzeitig ins Netz strömt, wenn ohnehin ein Überangebot besteht.
Investitionszuschüsse für intelligente Steuerungstechnik wie Smart Meter und Energiemanagementsysteme.
Kombimodelle für Eigenverbrauch + Überschussvermarktung, die Betreiber dazu motivieren, möglichst viel Strom selbst zu nutzen und den Rest aktiv am Markt zu verkaufen.
Energy Sharing Communities (ESC): Ab Juni 2026 soll es möglich sein, dass sich Nachbarn, Hausgemeinschaften oder Genossenschaften zusammenschließen und gemeinsam eine PV-Anlage betreiben. Der erzeugte Strom wird unter den Mitgliedern aufgeteilt, statt ins öffentliche Netz eingespeist zu werden.
Solche Instrumente könnten helfen, die Energiewende effizienter zu gestalten — ohne dass die Wirtschaftlichkeit kleiner PV-Anlagen komplett zusammenbricht.




















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